Heute muss ich mal was loswerden. Etwas, was mich schon immer bekümmert und woran ich hin und wieder richtig verzweifle. Es ist die Frage, was nötig ist, um erfolgreich zu sein. Kennst Du Toni Braxton? Ach, der Name erinnert Dich an etwas? Ja zum Beispiel an den Schmusesong "Unbreak my heart"?
Ich finde das Lied gar nicht so romantisch, ich finde es schrecklich und ich finde es ist eine Inspiration. Nein weder vom Text noch von der Melodie her – die sind mir einfach zu viel. Aber die Story dahinter hat es in sich.
Denkfehler oder Ausrede?
Denn weißt Du in meinen Seminaren höre ich da immer wieder: „man kann nur verkaufen, was man selbst verwendet.“ Ich frage mich dann immer, wie jemand Staukraftwerke, Airbusse, Kläranlagen und Co verkauft. Ich mein, muss sich der Verkäufer einer Kläranlage zuerst einmal ein Teil in den Garten stellen? Wie erklärt er das seiner Frau? Seinen Nachbarn? Sagt er dann „ach seid froh, dass ich keine Tierkadaververwertung verkaufe“?
Nein, das ist natürlich Unsinn. Ähnlich wie auch der Spruch „Man muss für etwas brennen, um andere zu entfachen.“ Bin ich der einzige, der dabei an Burnout denkt? Muss man für etwas brennen, um erfolgreich zu sein? Ich weiß nicht. Begeisterung ist ja gut und schön aber wie lange kann man für etwas brennen, ohne sich zu verausgaben? Ich betreibe mehrere Firmen undin jeder Firma mehrere Projekte, ich kann nicht für jedes „brennen“. Manche sind einfach und professionell abzuarbeiten.
Nebenwirkung des Brennens? Verbrannt sein.
Als ich mein erstes Buch schrieb brannte ich dafür. Es war 2008. Das ganze Jahr schon spielte ich mit dem Gedanken, aus meinem alten Rhetorik-Blog ein Buch herauswachsen zu lassen. Material hatte ich genug aber würde ich auch Leser finden? Dann am Morgen des 5. November hörte ich eher durch Zufall die Siegesrede Barack Obamas. In nur zwei Minuten verwendete Obama mehr rhetorische Kniffe als ein Gerhard Schröder in zehn – und Gerhard Schröder ist ein hervorragender Rhetoriker.
Ich brannte. Sofort war mir klar: das wird mein Buch. Obama als Leitfigur und dann der Vergleich, wo Schröder, Merkel und Lafontaine ähnlich agierten. Was an Obamas Mythos war echter Mythos und was war einfach nur exzellentes Handwerk? Das wollte ich herausfinden, darüber wollte ich schreiben. Und ich schrieb als gäbe es kein Morgen. Denn mir war klar: am 20. Jänner, wenn Obama angelobt wird, muss das Buch in den Läden stehen. Also hatte ich nur wenige Wochen Zeit. Wochen in denen meine Frau mich nur sah, wenn ich zwischen Kühlschrank, Schreibtisch, Bett und Badezimmer herumtappte und dazwischen herumtippte wie ein Wahnsinniger. Ich brannte. Meine Frau hat es ertragen.
Könnte ich heute wieder so brennen? Dürfte ich überhaupt so brennen? Mit dutzenden Terminen jede Woche, mit zwei Töchtern, die mich brauchen? Ich glaube, heute wäre das fast schon fahrlässig, ja verantwortungslos. Ja, ich bin unverändert bereit, viel zu geben aber es muss viel mehr geplant werden. Geplanter Enthusiasmus, wenn das kein Widerspruch in sich ist.
Eben weil ich schon richtig brannte und heute anders agieren muss, finde ich diese ganzen Kalendersprüche a la „Nur wer für seine Sache brennt…“ echt irritierend. Geht Dir das nicht auch manchmal so?
Die Profiliga arbeitet anders
Und was hat das ganze jetzt mit Toni Braxton zu tun?
Unbreak my heart - Oh mein Gott was für eine Schnulze. Es gibt ja Menschen, die berauben einem der Sinne – offenbar ist da auch der Gehörsinn betroffen, denn ich weiß von einigen Abenden in den 90ern, da kam dieses Lied garantiert vor und ich bin nicht schreiend davongelaufen.
Ok, ich mag das Lied nicht sonderlich und dennoch ist es eine Inspiration. Weißt Du wieso? Weil die Sängerin Toni Braxton, eindeutig Musikgeschmack hat. Ich meine sie hat ja 7 Grammies bekommen, den zweiten davon für [Einspielung] und das war ihr Durchbruch.
Profis sind gut - egal wie der Gemütszustand gerade ist
Und sie hasste das Lied. Sie hat damit alle Hitparaden angeführt, dennoch konnte sie es nicht leiden – zumindest am Anfang nicht. Die Texterin, Diane Warren, sagte in einem Interview: „Toni hated the song. She didn’t want to do it.“ Es war der Präsident ihrer Plattenfirma, der sie dazu überredete, es doch zu singen. Toni Braxton liebt es zu singen, doch sie liebt eben nicht jeden Song.
Was macht ein Profi, wenn er etwas machen muss, was er kann, was ihn jetzt aber nicht begeistert? Genau: er greift in die Werkzeugkiste und packt an. Dem Maler muss die Wandfarbe nicht gefallen, wenn der Kunde dafür zahlt, wird die Wand eben so gefärbelt. Auch der Apotheker muss nicht hellauf begeistert sein, dass er da ein Mittel gegen Schmerzen aushändigt, aber wir erwarten von ihm, dass er seine Apotheke so führt, dass die Versorgung sichergestellt ist. Und ich glaube, auch fleischverliebte Köche können Salat anrichten, ohne dabei eine Sinnkrise zu bekommen.
Die Suche nach der Exzellenz
Und ein ebensolcher Profi ist auch Toni Baxter. Sie liebte es zu singen, doch sie mochte das Lied nicht. Vielleicht arbeitete sie gerade deshalb akribisch genau daran, die Harmonie des Lieds war ihr nicht zugänglich, also übte sie umso genauer jeden einzelnen Übergang. Es war nicht ihr Baby, und damit könnte sie auch kritischem Feedback offener gegenüber gestanden haben.
Was wäre gewesen, hätte sie das Lied geliebt? Vielleicht hätte sie es nur halb so perfekt heruntergeträllert? Vielleicht hätte sie Feedback wie: Mach hier noch einen halben Takt länger, geh hier noch ein paar Nuancen hinauf und wo weiter, vielleicht hätte sie auf dieses Feedback anders reagiert, weil es ja „ihr Baby“ gewesen wäre? Weil ihr die kritische Distanz gefehlt hätte?
Wer brennt, verliert Distanz.
Das ist nämlich das Problem, wenn Du für eine Sache brennst. Sie wird zu einem Teil von Dir, sie ist Deine Leidenschaft. Doch damit wird jede Reflexion zu einer Selbsterfahrungsübung und jedes Feedback zu persönlicher Kritik. Man kann nur hoffen, gut zu sein, denn besser zu werden, wird in dem Fall einfach schwer. Und wenn man eben nicht gut genug ist, dann gleicht man das durch mehr Energie aus, man brennt heißer. Und verbrennt sich.
Ich glaube, dass man seine Aufgabe lieben sollte aber nicht, dass man brennen muss, um erfolgreich zu sein. Im Gegenteil. Ich glaube, wer erfolgreich sein will, sollte seine Sache wie ein Handwerker angehen. Der sollte sich überlegen, in welche Schritte seine Aufgabe zerfällt und wie er jeden einzelnen exzellent ausführt. So wie Toni Braxton jeden Takt perfektioniert hat, jede Pause zelebrierte und ihre Bühnenperformance dann auch darauf abstimmte. Und der Erfolg gibt ihr recht: auf der Hitparade aller Songs seit 1958 ist ihr Song auf Platz 13.
Und weil dieses Beispiel ja nicht die Ausnahme sondern tatsächlich die Regel der wirklich langfristig erfolgreichen Menschen ist, mein Denkanstoß für den Tag: Egal wie begeistert Du bist, wenn Du Dein Tun in Teilschritte unterteilst, die Du beschreiben, überdenken und verbessern kannst, dann wird Deine Begeisterung Früchte tragen.