Gestern fuhr ich mit der Bahn. Eine lange Fahrt von über 14 Stunden, der Großteil davon in abgewirtschafteten Waggons, die einem Freund der 70er-Jahre echt Freude gemacht hätten. Die ungarischen Modelle waren leider schon so lange in Deutschland und Österreich unterwegs, dass sie keinerlei zusätzliche Bordverpflegung, nicht einmal mehr Milch für den Kaffee dabei hatten, wurde mir mitgeteilt. Gereinigt werden sie wohl auch nur in der Heimat. Nun, wenigstens waren die Bettlaken im Schlafwagen frisch und die Verpflegung zeigte auf, wie fähig die Industrie schon ist, pappigen Zement wie ein Croissant aussehen zu lassen.
Um so mehr freute ich mich, als ich dann in einer modernen Garnitur in Österreich saß, mit WLan, Ledersitzen und Leselampe. Man spürt den Luxus ja erst, wenn man den Kontrast erlebt hat. Ein junger Servicemitarbeiter fragt mich nach meinem Getränkewunsch.
"Einen doppelten Espresso bitte."
"Tut mir leid" lautet die Antwort.
Kein Kaffee? Eine Kriegserklärung!
In mir tobt ein kleines Gewitter: kein Kaffee? Schon wieder?! "Kein Kaffee" ist für einen gebürtigen Wiener ohnedies eine mittlere Kriegserklärung aber an diesem Morgen, nach einer schlaflosen Nacht im ungarischen Feldbettenzug....
"Tut mir leid. Aber da muss ich Ihnen leider den halben Preis in Rechnung stellen" ergänzt der Bordmitarbeiter.
Und da war er wieder: der Verkaufstrainer in mir, der an jeder Ecke Ideen hat, wie man mehr verkaufen kann. Mein Ego wollte nur schlafen. Aber dieses Alter Ego...
Wofür entschuldigen?
Was war geschehen? Der Servicemitarbeiter hat sich dafür entschuldigt, dass der Kaffee etwas kostet. Tatsächlich dafür, dass der Kaffee den halben Preis kostet. Bei meinem Ticket war ein Getränk inkludiert. Offenbar nur ein einfacher Espresso.
Warum entschuldigt sich der Mitarbeiter? Nun, vielleicht meint er, der Kaffee sollte inkludiert sein - vielleicht bekommt er so oft diesbezügliche Beschwerden, dass er die Idee vom Gratiskaffee schon verinnerlicht hat. Das ist im Alltag ein häufiges Phänomen. Durch seine Entschuldigung bekommt der Kunde den Hinweis: das könnte auch anders sein.
So sät man Einwände und Probleme
Dies ist der Klassiker einer freudschen Fehlleistung. Man ist selbst so auf einen Aspekt eingestellt, dass man durch Nebensätze und die Körperhaltung den Kunden darauf aufmerksam macht. Man sagt, dass 80% der Preisverhandlungen vom Verkäufer begonnen werden. Durch Formulierungen wie:
- "Das Zubehör ist schon teuer."
- "Hier muss man etwas tiefer in die Tasche greifen."
- "Ja, der Preis ist da schon üppig."
Von den völligen Desastern "unverhandelt kostet das" oder "laut Liste sollten Sie xy,- zahlen" einmal völlig abgesehen.
Geht das nicht besser? Doch.
Der Bordmitarbeiter sollte natürlich schon darauf hinweisen, dass meine Bestellung etwas kostet. Verrät er das erst bei der Lieferung, ist die Reklamation vorprogrammiert. Nur einmal angenommen, er hätte das so formuliert:
"Einen doppelten Espresso? Gerne. Und weil sie Business Class Passagier sind, kann ich Ihnen den ersten doppelten Espresso zum Halbpreis anbieten."
Wie klingt das im Gegensatz zur Entschuldigung? Welche Emotionen löst die eine Formulierung und welche die andere aus? Der Inhalt ist ja exakt derselbe: ich darf für den Espresso etwas bezahlen.
Wie wäre es, wenn wir stärker auf die Wirkung unserer Worte achten würden? Wenn wir stärker darauf achten würden, die positiven Aspekte unserer Worte in den Vordergrund zu rücken? Ich bin überzeugt: wir wären deutlich erfolgreicher.