Kluge Preise-Blog

So geht der Gewinn durch die Decke!

Eine Bank hebt neue Gebühren ein. Ein Aufschrei folgt. Das Einzahlen von Münzen darf nicht kostenpflichtig sein! Ist das gar eine Maßnahme, um Bargeld abzuschaffen, wird gemutmaßt. Aber lesen Sie selbst.

Ist das Einzahlen von Münzen eine notwendige Nebenleistung oder doch ein Zusatzprodukt?

Nebenleistung oder nicht - eine Kernfrage der Produktstrategie

Was ist eine Nebenleistung? Nun das kümmert die Gerichte ziemlich häufig - vor allem im Bauwesen. Uns interessiert viel eher: wann ist es klug, Leistungen eigenständig anzubieten und wann wäre es klüger, diese im Produkt zu verstecken?

Strategie 1 "Komplettpreis" - Nebenleistungen ins Produkt "einpreisen"

Hier besticht die Einfachheit des Angebots. Der Kunde muss sich über Zusatzleistungen keine Sorgen machen, er hat von Anfang an den vollen Überblick über die Kosten und trägt kein Risiko für Nachforderungen. Dieses Risiko übernimmt der Lieferant. Dieser bekommt dafür eine einfache und vor allem zeitsparende Kalkulation und wenig Diskussionsbedarf mit dem Kunden. Viele Installateure bieten z.B. zum Bad eine Pauschale für die Verrohrung im Bad an. Denn das macht in Relation zum Auftrag wenig aus und es genau auszurechnen wäre großer Aufwand für wenig Ersparnis. Diese Ersparnis "bezahlt" man eben mit einer gewissen Fehlerquote.

Strategie 2 "Minimalpreis" - Nebenleistungen ausdrücklich mit anbieten

Hier profitiert der Anbieter von der Vielzahl an Möglichkeiten, Zusatzleistungen unterzubringen. Das ist vor allem sinnvoll, wenn die Kunden bei den Hauptpositionen feste Preisvorstellungen haben. So zahlen im Schadensfall manche Versicherungen eben nur bestimmte Stundensätze und manche Seminarveranstalter haben einen Höchstbetrag den sie ihren Trainern bezahlen. Die Sachbearbeiter der Versicherungen vergleichen dann meist die angebotenen Tarife mit einer Liste genehmigter Tarife. Wer für Privatkunden lieber Komplettpreise anbietet, tut hier gut daran, umzudenken und die (zu geringen) Stundensätze durch Nebenleistungen wieder in ein verantwortbares Angebot umzuwandeln.

Die Zahl der Nebenleistungen, die zu einem Angebot aufzuwerten wären, sind zahlreich:

  • Baumeister verrechnen das Einrichten der Baustelle, im Baunebengewerbe wird das oft übersehen, obwohl das viel Zeit in Anspruch nimmt.
  • Installateure verrechnen das Entsorgen von Altmaterial. Da es dort oft hohe Entsorgungskosten gibt, ist das nicht überraschend. Viele andere Gewerke machen das nicht, doch nach meiner Erfahrung kann z.B. das Entsorgen alter Teppiche oder Tapeten richtig viel Arbeit sein.
  • KFZ-Werkstätten verrechnen seit einigen Jahren Entsorgungsbeiträge, schenken aber oft die Außenreinigung dazu.

Theoretisch sind das alles Nebenleistungen, denn ohne sie ist die Vertragsleistung kaum zu erbringen. Doch allzu oft wird darauf verzichtet - ohne darüber nachzudenken.

Mein Tischler hat mir etwas zu gut zugehört, und so durfte ich beim letzten Angebot lesen, dass er nun eine "Anfahrtspauschale" verrechnet. An und für sich eine klassische Nebenleistung - wie soll der Tischler seine Arbeit erbringen, wenn er nicht da ist? Doch generell ist das eine kluge Strategie. Warum soll ein Kunde, der 5 Häuser entfernt ist, in All-In-Preisen faktisch eine Anreise bezahlen, die er gar nicht in Anspruch nimmt? Gleichzeitig profitiert ein anderer Auftraggeber, der eine Fahrtstunde entfernt lebt und tatsächlich zu Verlusten bedient wird. Das nennt man Quersubvention und ist an und kann ziemlich nach hinten losgehen: nämlich wenn der Tischler aus dem Beispiel im Jahr 1 die Preise als All-In kalkuliert und in dem Jahr viele nahe gelegene Kunden betreut werden, vielleicht weil er gerade gegründet hat und die Nachbarn zuerst bestellen. Die Nachbarn sind im Jahr 4 oder 5 aber fertig versorgt, jetzt bedient man entlegenere Kunden - mit dem selben Preismodell. Ist klar, dass der Tischler in dem Beispiel im Jahr 4 oder 5 Kosten versteckt, die seinen Gewinn auffressen? Eine Falle, in die viele Handwerker tappen, denn das wird oft zu spät erkannt.

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Diese Minimalpreis-Strategie bringt mehr Positionen ins Angebot. Das macht die Sache komplizierter und umfangreicher. Doch auf der anderen Seite kann man Angebote so genauer auf den Kunden zuschneidern. 

Ein weiterer Vorteil der Minimalpreis-Strategie: im Falle einer Preisverhandlung werden Einzelpositionen verhandelbar - und von denen hat man zur Genüge. Beim reinen All-In-Angebot dagegen kann nur pauschal ein Prozentsatz Rabatt gewährt werden, was taktisch weit schlechter ist. Denn es lässt sich besser argumentieren, wenn man sagt "ich halbiere die Anfahrtspauschale" als wenn man schlicht 2,5% Rabatt gibt. Warum nicht 3% oder 3,5%? Und in dem Beispiel des Tischlers wären das 75,- bei einem Gesamtvolumen von fast 6.000,-, wenn ein Handwerker das in Prozenten vorschlägt - 1,25% Rabatt - droht er den Kunden eher zu verärgern.

Mit Nebenleistungen das große Geld - zahlreiche Beispiele

Wenn man sich anfänglich damit auseinander setzt, ist man oft skeptisch, ob diese Strategie funktionieren kann. Tatsächlich sehen wir sie aber in vielen Branchen:

  • Flugtickets bekommen einen Kerosinaufschlag. Wieso? Treibstoff ist wohl die zentrale Nebenleistung bei einem Flug, oder?
  • Im Supermarkt werden Tüten extra verrechnet. Das ist erst seit ein paar Jahren der Fall. 2015 wurden in Deutschland 5.700 Millionen Plastiktüten ausgegeben. Bei durchschnittlich 20ct Verkaufspreis und 0,5ct Produktionskosten ein ordentlicher Reibach für die Supermärkte: etwas über 1 MRD Euro wurden 2015 damit verdient!
  • Eine Raststation hat keine Ketchup-Flaschen mehr am Tisch stehen - "aus hygienischen Gründen". Statt dessen gibt’s die süße Sauce jetzt im Portionsbeutel zu 50ct. Meine Töchter brauchen zu den Pommes mindestens 2 Beutel. Die Pommes kosten 3,90, das Ketchup, welches bisher immer dabei war, kostet nun 1,- extra. Im Einkauf gibt es die Beutel ab 5ct. Solide 1000% Aufschlag. So viel verdient die Raststation an keinem anderen Produkt. 
  • Ein Installateur vergibt eine "Pünktlichkeits-Garantie". Für 20,- extra kommt der Mitarbeiter garantiert um 8 Uhr bzw. um 13:30 Uhr. Viele Menschen hassen das Warten. Der Installateur vergibt schlicht den ersten Termin am Morgen bzw. nach der Mittagspause, denn da ist man faktisch immer pünktlich. Das sind satte 5-8% mehr Umsatz pro Termin, ohne echte Mehrkosten: effektiv eine Verdoppelung des Gewinns dieser Arbeitsstunde. Gelingt ihm das nur bei 50% aller Arbeitstage sind das satte 20.000,- Mehrertrag pro Jahr - pro Servicemitarbeiter!

Lesen Sie auch hier meine Fallstudie, wie ein Hotel mit einer Nebenleistung um die 70.000,- Zusatzgewinn macht.

Von der Nebenleistung zum Produkt

In manchen Fällen werden Nebenleistungen auch zum Produkt hochstilisiert:

Aus der Nebenleistung wurde ein Produkt: MethodenGuides zu meinen Seminaren schaffen Nachhaltigkeit beim Teilnehmer und Wert beim Auftraggeber.

Aus der Nebenleistung wurde ein Produkt: MethodenGuides zu meinen Seminaren schaffen Nachhaltigkeit beim Teilnehmer und Wert beim Auftraggeber.

  • Gehobene Restaurants verlangen ein relativ hohes Couvert von 3,- bis 5,- pro Person. Dafür müssen sie aber auch etwas liefern: Brot, kleiner Aufstrich, der "Gruß aus der Küche". Alles leicht mit den 3,- bis 5,- zu finanzieren. Doch es gibt dem Gast so ein weit besseres Gefühl, als wenn er erst einmal 20 Minuten und länger auf seine frisch zubereiteten Speisen warten muss.
  • Als Trainer habe ich früh begonnen, Unterlagen zu meinen Trainings zu "verkaufen". Wo andere diese Unterlagen pauschal in den Trainingstag einrechneten, verrechnete ich pro Teilnehmer ein wenig extra. Das zwang mich aber dazu, echte Produkte anzubieten. Wo die einen, nach dem Effizienzprinzip, möglichst billige Unterlagen produzierten, die aber ihr Ansehen schädigten, trete ich mit einem auf den Kunden angepasst bedruckten Ordner, Hörbuch und laminierten Arbeitsblättern auf. 
  • Der Installateur im obigen Beispiel hat für bestimmte Anlagen ein "Servicepaket" für 3 oder 5 Jahre mit verkauft. Teil des Pakets: die Pünktlichkeits-Garantie, die pro Termin ja 20,- "wert" war und so das Paket sehr günstig erscheinen ließ. Doch dafür musste er auch erst ein Service-Paket entwickeln, juristisch klären und verkaufen. Es zahlte sich aus: aus Kunden, die eine Anlage kaufen und dann das Service mal hier mal da machen ließen, wurden so Stammkunden, denen er nach und nach mit weiteren Leistungen Wert - und sich damit Umsatz - verschaffen konnte.

Die Frage "Nebenleistung oder Produkt" ist nicht immer einfach zu beantworten - aber sie muss beantwortet werden.

Wer diese Strategie nützen will, muss sich Gedanken machen, wie Kunden die Leistung wahrnehmen. Wann ist es dreist, wann wird das Zusatzangebot unter der Wahrnehmungsschwelle durchgewunken? Wann erlaubt es gar eine neue, bessere Positionierung, die unvergleichbar ist mit den anderen im Markt? Das sind Fragen, die man erörtern sollte, denn wer sie klug beantwortet, steigert den Wert für die Kunden und damit seinen Gewinn exponentiell.

Meine Frage an Sie

Aber zurück zum Eingangsthema: Eine Bank verrechnet das Einzahlen von Münzen ab der 51. Münze extra. Ist das in Ordnung oder sollte die Bank das in die Kontoführungsgebühren aller Kunden einpreisen?