Als ich im Sommer im Supermarkt stand, glaubte ich meinen Augen kaum: es war Grillsaison. Überall wurden Grillkohle, Steaks & Co feilgeboten. So weit so gut. Doch beim Gemüse wurde ich stutzig.
Ready to grill? Das begeistert!
Da waren an der einen Ecke Champignons und an der anderen auch. Das eine Mal lose in der Schale, das andere Mal "ready to grill", also fertig vorbereitet für die rituelle Feuerbestattung im Rahmen der Familie, unter Beigabe von Steaks und Baguette. Wer denkt sich da Böses? Doch da kam er wieder durch: der Verkaufstrainer in mir, der sich fragte, wieso ein Laden zweimal das selbe Produkt in unterschiedlicher Verpackung anbot. Das war übrigens nicht das erste Mal, dass ich fast aus dem Laden "entfernt" worden wäre - Supermärkte sind Betriebsgelände und auf Betriebsgelände Fotos zu machen ist nicht so beliebt. Dennoch: was fällt Ihnen auf?
Die einen Champignons kosten 1,99 und sind grillfertig am Spieß, die anderen dagegen kommen für 1,49in der Schale. So weit so gut, Auf den ersten Blick verwirrt die Preisauszeichnung der aufgespießten Champignons: 1,99 für 2 Stück, also EUR 1,- pro Stück. Die Pilze in der Schale dagegen kosten 5,96, das aber ist im Kilo angegeben. Da wird ein Preisvergleich haarig. Doch liest man genauer, erkennt man, dass die Ware am Spieß 200g hat. Das ergibt dann einen Kilopreis von rund 10,-.
67% Preisunterschied! Das ist durchaus bemerkenswert. Klar, die eine Ware ist lose, die andere wurde bearbeitet. Aber so herausfordernd scheint das Aufspießen der Champignons nun auch nicht zu sein.
Wofür zahlen Kunden - gerne auch mal mehr?
Was wir hier sehen, ist die Bereitschaft der Kunden, für eine auch noch so geringe Mehrleistung, deutlich mehr Geld auszugeben. Das eine Angebot ist klassisch anbieteroptimiert: Es hat einen möglichst vernünftigen Aufwand auf der Anbieterseite im Fokus. Champignons, grob gereinigt, in eine Plastikverpackung mit Folie gepackt. Hier gilt das Effizienzprinzip: billiger ist besser.
Wo liegt der Fokus: am Anbieter oder am Konsumenten?
Das andere Angebot konzentriert sich auf den Kunden. Wie nutzen Kunden Champignons? Eine Möglichkeit ist sie zu grillen. Der rituelle Feuerbestatter - auch Grillmeister genannt - verbringt Stunden mit der Vorbereitung der Steaks - aber Gemüse? Da fehlt das Interesse und während er sich weigert, die fertig marinierten Fleischteile zu kaufen, nimmt er dasselbe Angebot beim Gemüse gerne an. Ist für "echte Männer" oft ohnedies nur Deko. Außerdem, wer soeben 20,- und mehr für ein Kilo Fleisch ausgibt, dem ist doch egal, ob er 1,49 oder 1,99 für die Champignon-Deko spendiert.
Die echte Wirkung liegt nicht im einzelnen Einkauf
Hat dieses Angebot eine große Wirkung auf den Gewinn des Supermarkts? Unmittelbar garantiert nicht - das sind ja Kleinstbeträge. Doch im Gesamtbild macht es Sinn, kauft doch jeder lieber dort, wo es ihm einfach gemacht wird. Hier geht der Grillmeister schnell durch, kauft rasch das Fleisch, noch rascher die Gemüse-Deko, nimmt die Chips, die bequemerweise neben dem Bier in der Schütte warten und ist schon bei der Kassa. Fällt ihm das leichter als bei der Konkurrenz, kommt er wieder und kauft wieder. In diesem Gesamtbild liegt der Gewinn verborgen.
Kundenorientiert ist gut - aber nicht automatisch die bessere Lösung
Anbieterorientiert kann man anbieten, wenn nur eines zählt: der Preis am Etikett. Wenn die Kunden sehr preissensibel agieren. Kundenorientiert zieht nur bei jenen Kunden, die weniger preissensibel sind, die mehr Komfort schätzen und - in anderen Situationen - auch Beratung gerne in Anspruch nehmen. Hier wurden zwei Leistungen gebündelt: die Handelsware mit einer Dienstleistung. Das Resultat war ein höherwertiges und damit höherpreisiges Angebot.
Diese weiter gedachten Angebote sind vor allem dann zielführend, wenn sie die Gesamtkosten für den Kunden wenig beeinflussen. Stärker noch, wenn sie auch dessen Kerninteresse bzw. Kernkompetenz nicht treffen. Noch stärker, wenn die beiden Bedingungen erfüllt sind, ein Ausfall der Leistung aber für den Kunden negative Effekte hätte. Ein Grillmeister, der keinerlei Gemüse anbietet wirkt wenig einfallsreich. Aber auch im klassischen B2B-Bereich gibt es solche Angebote: Zum Beispiel ein IT-Dienstleister, der keine Hardware mehr verkauft, sondern diese mit Servicegarantie vermietet. Für z.B. eine mittelgroße Anwaltskanzlei ist es wenig interessant, eine eigene IT-Abteilung finanzieren zu müssen, doch ein IT-Ausfall würde enorme Kosten bedeuten.
Fragen Sie sich selbst: welche Zusatzleistungen könnten meine Angebote aufwerten? Bei welchen meiner Kunden wären die drei Bedingungen erfüllt?