Kluge Preise-Blog

Fallstudie: Mit Äpfeln Kohle machen

Kann man die Preise für Ware steigern, die der Kunde leicht durch einen Lieferantenwechsel austauschen kann? Wenn man die Preise nur ein wenig anhebt, könnte der Kunde mit wenigen Telefonaten einen neuen Lieferanten finden. So geht es aktuell den Apfelbauern in Österreich. 

Russland-Sanktionen: ein Drama für die Apfelbauern

Seit die Russland-Sanktionen in Kraft sind, ist der Apfelexport zusammengebrochen: um bis zu -61% brach der Exportmarkt für Äpfel ein. Russland war 2013 noch Hauptexportpartner, wovon neben Österreich vor allem Polen profitierte. Heute wird zwar mehr exportiert (1,70 Mio Tonnen vs. 1,48 in 2013), aber der Preis ist eingebrochen.

Kann sich ein Einzelanbieter dagegen wappnen?

Wenn sich der gesamte Markt gegen das eigene Angebot dreht, wird es gefährlich - vor allem, wenn man als Apfelbauer auf dieses eine Angebot spezialisiert ist. Ein Umstieg ist in kurzer Zeit nicht möglich - es ist noch niemanden gelungen, Apfelbäume umzuschulen. Dies ist Realität in vielen Branchen: wenn die Firma auf ein Produkt spezialisiert ist, lässt sich dieser Fokus nicht in kurzer Zeit ändern. Aber man kann die Spezialisierung weiter vorantreiben.

Das Angebot neu denken

Oft erlebe ich, dass Anbieter in ihrem Angebot zu eng denken. Sie sehen ihre Lieferleistung und betrachten den Status als die bestmögliche Option. Bei technisch anspruchsvollen Produkten ist eine Innovation vorstellbar aber bei einem Agrar-Roh-Produkt wie einem Apfel? 

Doch wenn man sein Angebot neu denkt, wenn man sich überlegt, wie es mit dem Produkt weitergeht, kann man auf einmal viel mehr erreichen. Das machte ein Obstbauer in der Oststeiermark. Er fragte seine Kunden, wie sie denn die Äpfel weiter verwenden würden und stellte fest:

  • Gastronomen schälen und teilen die Äpfel für den hier so beliebten Apfelstrudel oder für das Apfelmus als Beilage
  • Kindergärten schneiden die Äpfel in mundgerechte Stücke klein

Prozessintegration als Geheimwerkzeug

Dieser Obstbauer hat erkannt, dass nahezu alle Großabnehmer ähnliche Anforderungen haben und diese mit hohem manuellen Aufwand bewältigen. Eine maschinelle Lösung zahlt sich für ein kleines Hotel nicht aus, da muss eine Hilfskraft die Äpfel schälen und im Kindergarten wird auch eine Helferin abgezogen. Doch die Alternativen im Kindergarten: Weintrauben, Erdbeeren, Melonen sind weit weniger Aufwand und damit eine attraktive Konkurrenz zum Apfel. Der manuelle Aufwand wird zum Kaufhindernis.

Dieses Hindernis überwältigt der innovative Obstbauer, indem er schlicht einige Schritte, die sonst seine Kunden machen müssen, selbst erledigt. Sein Angebot heute umfasst:

  • Ganze Äpfel entkernt, ungeschält (für Bratapfel) oder geschält (für Apfelmus)
  • Apfelscheiben (gebackene Apfelringe)
  • Apfelspalten für Kompott
  • Apfelwürfel für Apfelstrudel oder Apfeljoghurt

Die Ware wird geschmacksneutral gegen Verfärbungen behandelt und in Säcken der gewünschten Größe abgepackt. So bekommt ein Hotel exakt 3,5kg für seinen Apfelstrudel. Das vereinfacht den Kunden die Prozesse und spart Zeit und Geld. Mittlerweile verarbeitet der Obstbauer so 2,5 Tonnen Äpfel pro Tag.

Fazit: Kundenkenntnis ist Trumpf

Es stellt sich einmal mehr heraus: wer seine Kunden wirklich kennt, gewinnt. Wer exakt darstellen kann, wo in der Prozesskette das eigene Angebot beim Kunden einen Unterschied macht, kann dieses Angebot noch besser auf Kunden abstimmen und sich so vom Mitbewerb abheben. Dann gelingt es, Prozessschritte selbst zu übernehmen und sich zu einem integralen Bestandteil der Prozesskette des Kunden zu machen. Das ist die wahre Aufgabe im professionellen B2B-Vertrieb.

 

http://obsthof-wilfinger.eu.pn/