Wenn ich zu Vorträgen eingeladen werde, spreche ich nachher gerne mit den anwesenden Unternehmern, wie sie zu Neukunden kommen. Die Akquise neuer Kunden ist eine der wichtigsten Aufgaben eines nachhaltig geführten Betriebs und oft ein sehr zeitraubender Prozess. Als ich als Malermeister gemeinsam mit meinem Vater einen Malerbetrieb mit bis zu 40 Personen führte, investierten wir jährlich rund 1.000-1.200 Stunden nur in das Aufnehmen, Schreiben und Nachfassen von Angeboten. Für viele Unternehmer ist das der aufwändigste Prozess im Unternehmen.
Also frage ich die Unternehmer: Wie also kommen Sie zu Neukunden?
Die Antwort ist oft erschreckend und lässt sich zusammenfassen in "Wir sind gut, wir sind schnell, wir sind billig". Also: wir sind technisch kompetent, reagieren zügig auf Kundenwünsche und wir haben unsere Prozesse kostengünstig optimiert. Das ist was Jochen Ulbing die "Dreifaltigkeit des Unternehmerischen Wahnsinns" nennt. Denn sie schließen einander aus.
Die drei großen Positionierungen
Es gibt drei große Positionierungen, aus denen Unternehmen wählen können. Je klarer und eindeutiger die Wahl, desto klarer die Positionierung. Mit dieser einen Entscheidung fallen ganz automatisch weitere Entscheidungen - doch darüber sind sich viele nicht im Klaren. Oft wird versucht, der "beste Freund des Kunden" zu sein und zugleich das günstigste Angebot zu legen. Denkt man das zu Ende, kann das nicht klappen.
Positionierung: der beste Freund des Kunden - der Kundenversteher
Kundenversteher verkaufen über Beziehungen. Dieser Anbieter ist im gesamten Umfeld bekannt, er ist Sponsor diverser Vereine, am Fußballklub hängt sein Logo und die freiwillige Feuerwehr feiert ihn als Ehrengast, er spendet für den Schulball ebenso wie für die Pfadfinder. Mehr noch: er genießt das Bad in der Menge, ist bei jedem Zeltfest, bei jeder Hochzeit und jedem Begräbnis. Seine Verkäufer sind oft beim Kunden, verkaufen ohne Druck oft mit viel Beratungsaufwand. Sie genießen das Vertrauen der Kunden und betreuen die Kunden nicht selten weit über den eigentlichen Auftrag hinaus.
Diese Positionierung heißt, dass man sehr individuelle Angebote legen kann, dass man sehr stark auf den Kunden eingeht und Zeit und Ressourcen in Beziehungen investiert. Doch das muss natürlich abgegolten werden. Hier müssen Angebote leicht verständlich, oft in wenigen Positionen zusammengefasst und damit schwer vergleichbar sein.
Positionierung: Technologieführer
Wer hier positioniert ist, der hat einen hohen Pioniergeist. Aufbruchstimmung charakterisiert diese Firma, denn ständig werden neue Technologien vorgestellt und umgesetzt. Anbieter in diesem Bereich haben sehr gut ausgebildete Techniker, die vielseitig einsetzbar sind. Der Besuch von Fachmessen ist nicht nur selbstverständlich, immer wieder findet man diese Anbieter auf den Bühnen dieser Messen, um bahnbrechende Projekte vorzustellen. Mit dieser Positionierung geht auch eine hohe Fehlertoleranz einher, hier muss immer wieder nachgearbeitet werden, denn man befindet sich an der Grenze von Konzept und Idee zu Umsetzung und Praxis und da klappt nicht alles von Anfang an. Der Aufwand kann groß sein.
Diese Positionierung ist technisch sehr anspruchsvoll, weniger der Kunde mehr die Technologie ist im Fokus des Angebots. Diese Firmen definieren sich oft über die Technologie, die sie einsetzen und das kann so weit führen, dass der Verkauf durch hoch ausgebildete Techniker erfolgt, die auch ähnlich technik-affine Kunden suchen und finden. Diese Firmen müssen in ihren Preisen hohe Toleranzgrenzen für Fehlersuche und -behebung, für Korrekturmaßnahmen aber auch für die permanente Fortbildung einplanen. Verkaufstrainings brächten hier sehr viel, kommen aber oft zu kurz - dem Irrtum "gute Technologie verkauft sich von selbst" folgend.
Positionierung: Der billigste Anbieter, der Kostenführer
Der Billigste ist nie der Beste. Denn der Fokus des billigsten liegt auf der permanenten Kostenoptimierung. Hier wird ständig nach Einsparungspotenzialen gesucht: vom optimierten Lager über das minimalistische Service. Zusatzleistungen müssen bezahlt werden und sind meist relativ teuer, da jede Ergänzungsleistung auch intern enorm aufwändig ist. Es gibt Firmen, die haben ihre Kosten so weit minimiert, dass ein persönliches Verkaufsgespräch als Beratungsleistung den Kunden verrechnet wird. In anderen Fällen wurde die Beratungsleistung ausgelagert, z.B. beim Diskont-Fenster an regionale Tischler. So verrechnet seit neuestem auch Ikea die umfassende Planung von Küchen mit einem Pauschalsatz, der um die 5% einer Durchschnittsküche beträgt.
Wer hier aktiv sein will, der muss z.B. bereit sein, jeden nicht unbedingt erforderlichen Mitarbeiter zu kündigen oder auszulagern. So entstehen in manchen Branchen gerade sehr viele Ein-Personen-Unternehmen: das sind keine Unternehmen, das sind ausgelagerte Mitarbeiter. Klassische KMUs erkennen da rasch, dass die effektive Billigstanbieter-Positionierung unmöglich ist, müssten viele ihren Ehepartner auf eine Teilzeitbasis reduzieren oder ganz kündigen.
Fazit
Je nachdem welche Positionierung gewählt wird, ändert sich die Kommunikation nach außen. Wo der eine über Beziehungen, Tradition und Werte mit Kunden in den Dialog tritt, erzeugt der andere einen Sog durch Modernität und das aufregende "Neue". Und der Billigstanbieter pflastert seine Fassade mit Lockangeboten zu.
Jede dieser Positionierungen ist machbar. Jede ist profitabel. Unprofitabel ist nur die "Dreifaltigkeit des unternehmerischen Wahnsinns" - denn die drei Varianten zugleich anzustreben, zerreißt den Unternehmer, verwirrt Kunden wie Mitarbeiter und endet in einer wortwörtlich mittelmäßigen Positionierung. Doch genau im Mittelmaß ist kein Profit zu machen, denn den Kunden in etwa zu kennen und die Technologie im "Großen und Ganzen" zu verstehen ist ebenso unklug wie der dritt-billigste zu sein: man verliert Kunden, Aufträge und Gewinne.